Nachfolgendes Interview mit Prof. Hans-Hermann Hoppe ist erschienen in Smart Investor 9/2005.
Wir bedanken uns für die Abdruckgenehmigung.
Smart Investor im Gespräch mit Prof. Hans-Hermann Hoppe, libertärer Vordenker und Bestseller-Buchautor, über Deutschlands schwindende Hoffnung, den Zusammenbruch der Wohlfahrtsstaaten und die Vorbilder der „Österreichischen Schule“:
Smart Investor: Herr Hoppe, wie sieht man die politische und wirtschaftliche Situation Deutschlands vom Ausland aus – besteht noch Hoffnung?
Hoppe: Für Amerikaner bedeutet Deutschland: Hitler, Nazi, Rhein, Wein, Autobahn, Sauerkraut, Bier, Hofbräuhaus, Heidelberg, Neuschwanstein, Mercedes, Porsche, BMW, Audi, Mozart, Beethoven, Lederhosen, Kuckucksuhr. Trotz ungläubig bestaunter sechs Wochen Jahresurlaub gelten die Deutschen immer noch als fleißig, aber Made in Japan hat Made in Germany inzwischen den Rang abgelaufen. Von den wirtschaftlichen Problemen Deutschlands weiß der Durchschnitts-amerikaner gar nichts, wie er denn von nichts außerhalb der USA eine Ahnung hat. Je weniger er von der Welt weiß, um so überzeugter ist er freilich von der haushohen Überlegenheit seines eigenen Landes und um so bereitwilliger unterstützt er die „missionarischen“ Militäraktionen bzw. Kriege der USA in aller Welt. Daß das deutsche (Erhard`sche) Wirtschaftswunder schon seit langem vorbei ist und Deutschland ein schwerstkrankes Gemeinwesen ist, wissen in den USA nur wenige Experten.
Smart Investor: Was ist aus Ihrer Sicht die Wurzel von Deutschlands verfahrener Politik?
Hoppe: Deutschlands Probleme sind nicht prinzipiell anders als die der übrigen westlichen Wohl-fahrtsstaaten, einschließlich der USA. Ich weiß, das Ignorantentum bezüglich der USA ist groß, besonders in Deutschland. Im Gegensatz zu regelmäßig gehörtem Geschwätz gibt es aber in den USA schon seit langem keinen ungebändigten Laisser-faire-Kapitalismus mehr. Die Staatsquote liegt bei nahezu 40 %. Wie hierzulande, so gibt es dort eine riesige Zahl von Regulierungsbehörden, die zu einer zunehmend engeren Verbindung von Hochfinanz und Großindustrie mit dem Staat geführt haben, auf Kosten und zum Nachteil kleinerer und mittlerer Betriebe. Und wie hier, so gibt es auch in den USA ein immer umfassenderes Netz sogenannter staatlicher Sozialfürsorge. Freilich hat man in den USA mit diesem Widersinn erst in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts in großem Stil begonnen, also 50 Jahre später als in Deutschland, und so hinkt man bis heute in dieser Hinsicht, Gott sei Dank, noch ein bis zwei Jahrzehnte hinter Deutschland her. Dennoch, wenn es nicht zu drastischen Änderungen kommt, wird das Wohlfahrtssystem in Amerika schließlich genauso als unfinanzierbar zusammenbrechen, wie es in Deutschland der Fall sein wird.
Smart Investor: Deutschland hat offenbar ein nicht geringes Problem u.a. mit der Anreizproblematik. Was stimmt nicht an unserem ganzen „Sozialversicherungssystem“?
Hoppe: Das ganze sogenannte Sozialversicherungssystem ist weder sozial noch ist es ein Versi-cherungssystem. Und der sogenannte Generationenvertrag ist natürlich auch kein „Vertrag“. Er hat die Solidität eines Kettenbriefes. Diejenigen, wie Bismarck, Adenauer, etc., die sich diesen Unsinn ausgedacht haben, sind nicht besser als Herr Ponzi, der berühmt-berüchtigte Finanzgauner. Jeder private Geschäftsmann, der ein Versicherungssystem anbieten wollte, wie es Staaten tun, würde sofort als gemeingefährlicher Betrüger verhaftet. Es ist ein System des Stehlens und Hehlens. Ein System, das die individuelle Verantwortung, Vorsicht und Voraussicht untergräbt, das Sparen bestraft und Konsum belohnt. Ein System, das den natürlichen, intergenerationellen Zusammenhalt von Familienverbänden zerstört. Ein System, das statt dessen die Faulenzerei, das Simulantentum und das Schmarotzerwesen fördert.
Kurz: ein System, das den Willen, ein produktives und verantwortungsbewußtes Leben zu führen, andauernd schwächt, steigende Zukunftsangst erzeugt, den Wunsch nach Kindern (besonders bei intelligenten Menschen) erstickt und somit buchstäblich zum Sterben verurteilt ist.
Smart Investor: Sie sind bekanntlich kein Fan der Demokratie. Nun hat Deutschland Mitte September mal wieder „die Wahl“ – welche denn? [….]