Erklärungen von Politikern sollte man durchweg ernst nehmen – nicht das, was sie verlautbaren, sondern zumeist dessen Gegenteil, vor allem jedoch das, was sie aussparen und tunlichst verschweigen.
So betonte Finanzhäuptling Schäuble vor der griechischen Handelskammer gleich zweimal, wie beeindruckt er von den Fortschritten des griechischen Reformkurses sei – Öl auf die Seele der Helenen, aber glatt gelogen –, um dann ebenso deutlich darauf hinzuweisen, daß die 100 Millionen Euro Kredithilfe von deutscher Seite nur zur Verfügung gestellt würde, wenn deutlichere Reformschritte erkennbar würden.
Nun ist dieser Kreditfonds, eine Art KfW[1], für Unternehmer gedacht, die neue Arbeitsplätze zur Verfügung stellen sollen, was jedoch überhaupt nichts mit den staatlich verkrusteten Beamtenstrukturen zu tun hat. Dies gleicht einem Bonbon, das ein Erwachsener mit ausgestreckter Hand einem auf dem Bauch liegenden Kleinkind anbietet.
„Ich habe bisweilen den Eindruck, daß sich die meisten Politiker immer noch nicht darüber im Klaren sind, wie sehr sie bereits heute unter der Kontrolle der Finanzmärkte stehen und sogar von diesen beherrscht werden.“
Prof. Hans Tietmeyer
Auch „Helikopter“-Ben vermeldete bei seiner mit Spannung erwarteten Rede am 17. Juli – wie immer in sybillinischen Formulierungen verquastet – nichts Neues; man werde, so FED-Chef Bernanke, die Zuflüsse neuer Geldmengen (derzeit 85 Milliarden US-Dollar pro Monat) zurückfahren, aber erst, wenn die wirtschaftliche Entwicklung hierzu Anlaß und Chancen böte.
Über all dem manisch-phobischen Hickhack um Griechenland verliert der informationsbeflissene Bundesbürger den Blick für diejenigen Volkswirtschaften, die tatsächlich drauf und dran sind, das EURO-Debakel zu beschleunigen – vor allem: Frankreich! Hier ist ein wirtschaftspolitisch völlig inkompetenter Sozialist gerade dabei, die ökonomischen und sozialen Strukturen eines 56-Millionen-Volkes zielsicher an die Wand zu fahren. Wer heute die ‚à vendre‘-Schilder in Paris, Marseille und Bordeaux zählt – an den Schaufenstern von Kleinunternehmen ebenso wie in Vorgärten und an Häusern – ahnt, daß die Herabstufung Frankreichs auf ‚B‘ durch sämtliche Ratingagenturen nicht von ungefähr kommt. Italien und Spanien, die nächst-größeren Volkswirtschaften der Euro-Zone, werden bankintern längst als „Ramsch“ gewertet.
„Es gibt nichts Unsozialeres als den Wohlfahrtsstaat, da dieser individuelle Egoismen fördert; soziale Hilfe in Notfällen gerinnt zum puren Rechtsanspruch.“
Prof. Ludwig Erhard
Die Horror-Arbeitslosenzahlen – insbesondere die der Jugendarbeitslosigkeit, die Griechenland, Spanien und Portugal ausweisen – sind nur die Spitze des Eisbergs. In der gesamten Euro-Zone sind derzeit durchschnittlich 20% der arbeitsfähigen Menschen und über 40% der arbeitsfähigen Jugendlichen zwischen 18 und 24 Jahren arbeitslos. Gleichzeitig liegt der durchschnittliche Schuldenstand (im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt) inkl. der bereits heute feststehenden zukünftigen Verpflichtungen der Staaten (Pensionen, Zusatzversorgung, etc.) bei zwischen 300 und 500%. Da diese ‚Kredite auf die Zukunft‘ aber insbesondere den heutigen Jugendlichen auf die Füße fallen, sei die Frage erlaubt: „Wer soll diese Schulden eigentlich bezahlen?“ Nur einer der vielen Nebenaspekte: Seit 1969 ist die Heiratsfreudigkeit der Bevölkerung in der EU-Zone von 72% auf 47% gefallen.
Lassen Sie sich weder verwirren, noch ängstigen; Deutschland muß auf Gedeih und Verderb den Status Quo erhalten, um nach der Bundestagswahl die berühmten „Hosen“ herunterzulassen. Bis dahin wird der Abnicker-Verein in Berlin buchstäblich alles goutieren. Wie sagte schon der slowenische Dichter Zarko Petan (geb. 1929): „Mit leerem Kopf nickt es sich leichter“. In den nächsten 60 Tagen wird weder an den Märkten, noch im politischen Kasperle-Theater Nennenswertes passieren; wie selten zuvor haben wir ausschließlich politische Börsen. Daran ändern auch die sich auszuweiten drohenden Konflikte in Ägypten und Syrien, die Demonstrationen in Brasilien, Spanien und Irland, Griechenland und Italien überhaupt nichts.
H.-W. Graf
[1] Kreditanstalt für Wiederaufbau