Nun ist er tot; Problembär Bruno – offiziell rubrifiziert unter „J.J. I“ – starb durch zwei gezielte Schüsse amtlicherseits rekrutierter Profikiller. Zum Abschuß freigegeben wurde er, weil er – natürlichen Trieben eines etwa 27 Monate alten Bären folgend – noch unstet auf Reviersuche war, seinen (ebenso natürlichen) Jagdtrieb auslebte und den Menschen, die ihn zuvor so überschwenglich willkommen geheißen hatten, zu vertraulich nahe kam. Sein Pech: In diesem zarten Alter und digital etwas ungelenk konnte er die Telefontasten nicht bedienen, um bei der nächstgelegenen Sozialstation den Bedingungskatalog für einen offiziellen Asylantrag zu stellen; mangels eines (in Deutschland unabdingbare Voraussetzung) vorliegenden Bärengesetzes und mit italienischem Migrationshintergrund auch der deutschen Sprache nicht mächtig, hielt sich Bruno einfach nicht an den bundesdeutschen ‚Lebensverwaltungs-Codex’ und die oberste Maxime christlich-abendländischer Überheblichkeits-„Kultur“: „die Erde, mithin die gesamte Flora und Fauna dieses Planeten, hat dem Menschen untertan zu sein!“
Abgesehen von Betrunkenen, sehr alten Menschen und Kindern erweckt allzu natürliche Offenheit grundsätzlich unser Mißtrauen; wir haben uns derart an normierte Verhaltensmuster gewöhnt, daß in unser tagtägliches Erleben nur hineinpaßt, was der Norm genügt, was wir an gleicher Stelle ebenso getan oder unterlassen hätten. Gestattet sich jemand eine „unbotmäßige“ Fröhlichkeit, so wähnen wir ihn entweder unter Drogen oder ‚nicht ganz dicht’. Zur Faust geballte Gesichter, meinungslose Bedenkenträgerschaft, zu keiner eigenen Haltung gerinnende Generalskepsis zeugen von abwägender Intellektualität und von Erfahrung umrankter Weitsicht.
Insoweit ist alles diskutierbar, nichts wahr. Eigene Standpunkte riechen leicht anstößig und sind gefährlich angreifbar.
Hätte der Bär sich an die verwaltungstechnisch vorgegebenen Spielregeln gehalten, sich auf Abfallhalden und Müllbergen bedient, auf Waldverbiß verzichtet, Zuchttiere, Hegefluren und Gartenanlagen verschont und zu Menschen ehrfürchtig Distanz gewahrt, lebte er heute noch.
Nein, ungehindertes Räubern in fremden Revieren, das bedenkenlose Bestehlen, Belügen und Hintergehen, den Vergriff an von Anderen erarbeiteten Fleischtöpfen und Besitztümern gestatten wir nur dazu parteipolitisch auserkorenen Spezien, die für dieses widernatürliche Handeln sogar noch fürstlich bezahlt und täglich medial gefeiert werden – öffentlich-(un)rechtlichen Parasiten der Sozialgemeinschaft, die über fremde Güter und Besitzstände nach freier Willkür verfügen dürfen, ohne jemals für ihr Handeln verantwortlich gemacht oder gar bestraft, notfalls gar zum „Abschuß“ freigegeben zu werden. Sie stehen unter Immunität, und sollten sie es bisweilen gar zu unverfroren treiben, werden sie für einige Jahre unter (ebenfalls wohl dotierten) Verschluß gehalten – z.B. als Vorstand einer parteinahen Stiftung –, bis in der Öffentlichkeit das Erinnerungsvermögen genügend verblaßt ist.
Ihnen sieht man mangelnde Kompetenz gütig nach. Hauptsache ist, daß sie uns mit lautem Gebrüll, imponierender Freßgier und Eindruck erweckender Durchsetzungsfähigkeit von ihren „Führungs“qualitäten nachhaltig überzeugen.
Sie dürfen wildern und schmarotzen, sich nach Belieben bedienen, schalten und walten, unser aller Lebens- und Arbeitswelt bestimmen.
Bis an die Grenze seniler Debilität – bisweilen weit jenseits des üblichen Zwangs-Rentenalters – gestatten wir ihnen ein höchst widernatürliches Normverhalten, beugen uns ihrer arroganten Hybris und reichen sie als Beweis menschlich genialen Fortschritts in Talkshows und bei Kongressen ehrfürchtig durch die Lande. Wir bestücken Aufsichtsräte mit ihnen und huldigen ihrer selbst angemaßten Glorie.
Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis die „Krone der Schöpfung“, der homo sapiens sapiens den Unterschied zwischen normal und natürlich zu begreifen lernt und, wie in vielen anderen Ländern durchaus üblich, in friedlicher Koexistenz mit natürlich lebenden Wildtieren seinen Platz teilt. Wohl erst dann werden wir professionelle, mit Vorsatz handelnde Beutejäger vom Schlage unserer Volksverräter zum „Abschuß“ freigeben. Dazu ein fröhliches ‚Waidmanns Heil’!
H.-W. Graf