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Political Correctness bringt Debatten an Universitäten zum Schweigen

MEINUNGSFREIHEIT

So bringt Political Correctness Debatten an Universitäten zum Schweigen

Stand: 23.09.2019
Von Till-Reimer Stoldt

Die Rede- und Meinungsfreiheit an den Universitäten des Landes wird zunehmend eingeschränkt, warnt der Deutsche Hochschulverband. Dahinter stehe eine kleine radikale Minderheit – und eine schweigende Mehrheit.

Der Rassismus-Kritik widmete sich ein Kölner Uni-Seminar, das Mario S. vorvergangenes Semester besuchte. Dort ging es auch um die Kölner Silvesternacht 2015. Dozentin und Studenten, so berichten Teilnehmer, hätten in ihren Ansichten dazu harmoniert: Die Herkunft der Täter sei irrelevant. Wichtig sei vor allem, dass es sich um Männer handelte. Einig seien sie auch darin gewesen, man müsse alle „kulturrassistischen“ Ansichten bekämpfen, etwa die von Bundesinnenminister Seehofer, dass zwar Muslime zu Deutschland gehörten, nicht aber der Islam. Einzig Mario S. stimmte dem nicht zu, so berichtet er. Der Student mit CDU-Parteibuch erzählt, er habe den Begriff „Kulturrassismus“ hinterfragt, Seehofers These verteidigt und die Ansicht vertreten, die Herkunft der Silvester-Täter „aus einer Macho-Kultur“ spiele durchaus eine Rolle.

Daraufhin, sagt Mario S., habe das Mobbing begonnen: Kommilitonen hätten ihn aufgefordert zu schweigen. Wenn er gesprochen habe, sei er mal unterbrochen, mal beschimpft worden. Die Dozentin habe ihm geraten, das Seminar zu verlassen – und versucht, ihm künftig jede Aussage zu verbieten, die sie für kulturrassistisch hielt. Es war belastend. Doch Mario S. blieb bis zuletzt. „Wo, wenn nicht an der Uni, soll man frei über Erklärungen der Kölner Silvesternacht debattieren?“, fragt er. Von niemandem habe er erwartet, seine Argumente gutzuheißen, versichert er WELT. Nur vortragen wollte er sie.

Auf WELT-Anfrage, ob sich der Sachverhalt so zugetragen habe, verweist die Dozentin an den Pressesprecher der Uni. Der beteuert zwar, die Uni Köln sei ein „Ort des freien Wortes“, zur Schilderung von Mario S. nimmt er aber nicht konkret Stellung. Nun ist die besagte Dozentin eine von 2600 Wissenschaftlern der Uni Köln. Man könnte also von einem Einzefall sprechen. Dennoch veranschaulicht der Fall, wovor der Deutsche Hochschulverband (DHV) derzeit warnt. Laut DHV-Präsident Bernhard Kempen „verändert sich das Klima an Hochschulen. Im Namen der Political Correctness erfolgt zunehmend ein Angriff auf das Wesen der Universität: auf die Freiheit des Forschens, Denkens und Debattierens“, sagte er dieser Zeitung. Eine Minderheit versuche, ihnen unsympathische Ansichten nicht argumentativ zu widerlegen, sondern zu unterdrücken „mit Drohungen, Shitstorms, Blockaden und manchmal physischer Gewalt“.

Alles Antifaschismus?

Tatsächlich sind viele Fälle von Professoren dokumentiert, die wegen randalierender Gruppen Forschungsprojekte abbrechen mussten; von Diskussionen, die nur unter Polizeischutz stattfinden konnten; oder von Referenten, die im Namen des Antifaschismus niedergebrüllt wurden. Die Landesregierung hat darauf nun reagiert. Sie hat einen Passus ins Hochschulgesetz eingefügt, der ab dem morgen beginnenden Wintersemester gilt und Ordnungsmaßnahmen bis zur Exmatrikulation vorsieht, wenn jemand Meinungs- oder Redefreiheit an Hochschulen einschränkt. Ob damit das Problem aber beseitigt wird, ist zweifelhaft. Denn so manche Einschränkung erfolgt nicht durch strafbares Blockieren und Bedrohen, sondern legal: etwa durch permanenten öffentlichen Druck.

Daher wirbt DHV-Präsident Kempen „vor allem um eine Tugend: um liberalen Mut“. Schließlich setze sich nur eine Minderheit dafür ein, die Meinungsfreiheit einzuschränken. Die „große Mehrheit auch der Hochschulleitungen müsste schlicht ihre Bequemlichkeit und Feigheit überwinden“, fordert der Kölner Jurist. Ähnlich sieht das Anna Gericke, Landesvorsitzende des Rings christlich-demokratischer Studenten (RCDS). Auch sie fordert „Hochschulverantwortliche, die sich nicht von Angst leiten lassen, sondern von der Freude am leidenschaftlichen, auch harten, aber freien Diskurs“. Wohlgemerkt: Weder DHV noch RCDS heißen damit die Thesen gut, die von den angegriffenen Forschern und Referenten vertreten werden. Sie kämpfen nur für deren Recht, sie an der Uni zur Diskussion zu stellen. Diesem Recht aber will eine Minderheit Grenzen setzen – oft zum Beispiel in einem selbst erklärten „Kampf gegen rechts“.

Wo aber „dieses nicht tolerierbare Rechts beginnt, das entscheiden willkürlich ein paar Radikale“, sagt DHV-Präsident Kempen. „Und zu viele Hochschulleitungen beugen sich diesem Diktat.“ Zum Beispiel, als der Philosophieprofessor Dieter Schönecker vergangenes Semester an der Uni Siegen ein Seminar zum Thema Grenzen der Rede- und Meinungsfreiheit plante. Unter anderem lud er zwei Referenten ein, die diese Grenzen verkörpern: den Publizisten Thilo Sarrazin und den AfD-Politiker (und Philosophen) Marc Jongen. Sogleich starteten Kollegen und Studenten einen Proteststurm. Diese Hetzer verdienten keine Bühne. Wer sie ihnen biete, stecke mit ihnen unter einer Decke, schimpften sie. In einem offenen Brief dekretierten einige Kollegen gar, man dürfe Schöneckers Frage, ob es Grenzen der Redefreiheit geben solle, gar nicht stellen. Mit dieser Formulierung werde „bereits die Karte einer unterstellten Nicht-Redefreiheit ausgespielt“. Sie wollten also nicht nur die Redefreiheit einschränken, sondern auch die Freiheit, darüber zu reden. Das Dekanat ließ sich beeindrucken und untersagte Schönecker zunächst, die Veranstaltung mit Hochschulmitteln zu finanzieren. Dennoch traten Sarrazin und Jongen auf – unter Polizeischutz.

Ähnlich war es, als die juristische Fakultät Köln Ende 2017 eine Podiumsdiskussion mit Rainer Wendt, dem Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, organisierte. Wendt hatte damals vor Ausländerkriminalität gewarnt. Sogleich wurden Protest-Briefe verschickt und die einladenden Dozenten beschimpft. Während in Frankfurt kurz zuvor aufgrund massiven Drucks Wendt von einer ähnlichen Veranstaltung ausgeladen wurde, blieben Kölns Juristen standhaft. Wendt nahm unter Polizeischutz teil und wurde zeitweise niedergebrüllt. Aber die Uni erwies sich hier tatsächlich als „Ort des freien Wortes“.

Willkür statt Recht

Bemerkenswert ist, wie sich die Randalierer rechtfertigen. So lud im Sommer 2019 eine stramm konservative Studentengruppe einen Referenten an die Uni Bonn ein, um die familienpolitisch ebenso stramm konservative Initiative „Demofüralle“ vorzustellen. Etwa 200 Störer randalierten im Hörsaal, brüllten „Halt die Fresse“ und „Fuck you“, bis die Veranstaltung abgebrochen wurde. Der AStA lobte anschließend, Studierende, die „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ keine Bühne böten, seien „Kern einer demokratischen Uni“.

Jurist Kempen lehnt solch willkürliche Kriterien für Einschränkungen der Meinungsfreiheit ab. Nicht „die unguten Gefühle militanter Studenten“ seien maßgeblich, sondern das Recht. Erst wer, von Gerichten bestätigt, die Verfassung bekämpfe, müsse gestoppt werden. Zumindest aber müsse die Staatsanwaltschaft schon wegen eines erheblichen Vorwurfs ermitteln, bevor man jemandes Grundrechte beschneide.

Laut DHV gilt das auch für Politiker. Solange sie an Unis auftreten dürften, müsse dies ausgewogen für alle Parteien möglich sein, auch für AfD und Linke. Politiker der vom Verfassungsschutz beobachteten Linken können an Unis auch ungestört für sich werben. Sogar gewaltbejahende Linksextreme wie die Interventionistische Linke durften im Sommer mit Bündnispartnern an der Uni Köln eine Veranstaltung durchführen. AfDlern sind solche Auftritte dagegen unmöglich. Auch die meisten AfD-Hochschulgruppen wurden inzwischen regelrecht vom Campus geprügelt.

Übrigens hat der Kölner Student Mario S. nun Konsequenzen aus seinem Seminar-Erlebnis gezogen: Er möchte fürs kommende Studentenparlament kandidieren. Ein geplanter Schwerpunkt seiner dortigen Arbeit: der Kampf für die verfassungsmäßige Rede- und Meinungsfreiheit an der Uni.

 

Kommentare:

Es gehört heutzutage schon erheblich Mut dazu, selbst an den Denkfabriken der Nation, den Universitäten, seine Meinung kundzutun, sofern diese nicht mit derjenigen der blökenden Mehrheit (der sich überhaupt äußernden Minderheit!) übereinstimmt.
Genau an diesem Mut gebricht es jedoch der Mehrheit der Professoren und Dozenten. Ich fühle mich fatal an meine Studienzeit in den 1970er Jahren erinnert ….
Hans-Wolff Graf


Lebrowski
„Dahinter stehe eine kleine radikale Minderheit – und eine schweigende Mehrheit.“
Das ist das Wesen der heutigen Gesellschaft, nicht nur das der Uni.

Jörg J.
Leider konnten sich in der Geschichte radikale Minderheiten schon oft gegen schweigende Mehrheiten durchsetzen und ihr Regime etablieren.

Jörg W.
Jörg, leider haben Sie recht. Es ist tatsächlich das Frosch-im-Kochtopf-Prinzip, das Wasser langsam erhitzen. Bis man merkt dass es kocht, ist es zu spät.

Johnny Appleseed
Meinungsfreiheit? Wer mit Prof. Meuthen redet, bekommt bereits die gesammelten und unverhohlen Drohungen der Medienbranche zu spüren! Wer Uwe Junge in eine Takshow einlädt, wird bundesweit angegiftet. Der hysterische Moralismus im Umgang mit abweichenden Meinungen ist in Deutschland allgegenwärtig.

Querella
Für jemanden, der im Osten aufgewachsen ist, sind solche Meldungen kaum auszuhalten. Das Schlimmste dran ist, dass diese Art von Meinungsdiktatur freiwillig erfolgt, von einer Minderheit, die GsD NOCH nicht an der Macht ist. 

Peter S.
Im Kampf gegen Rechts verwandeln sie sich immer mehr in Nazis…

Bernd D.
„Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus“
Ignacio Silone (1900 – 1978)

Heinz S.
Kurz vor der Landtagswahl in Sachsen: Weiterbildung für Erzieher. Folgende Aussage der Dozentin: Man solle sich doch genau überlegen was man wähle. Wer AfD wähle solle sich doch mal hinterfragen ob er für diesen Job geeignet wäre und ob er sich lieber was anderes suche.
Deutschland 2019. Reagiert hat darauf leider keiner.

Tiberius T.
vor 3 Tagen
Während eines Seminars zur Politischen Ökonomie des Sozialismus wandt ich einst ein, dass die Thesen von Marx einen kleinen Schönheitsfehler haben, weil sie den Menschen mit all seinen Abgründen und Instinkte ausklammern und die Theorie vielleicht nur funktioniert, wenn man bei der gesamtenPopulation űber Generationen hinaus versucht, diese Instinkte abzhtrainieren…. natürlich nur mit schärfste Unterdrückungsmethoden… Und selbst dann ist der Erfolge nicht mal garantiert. Darauf wurde mir gesagt, dass ich mir mal überlegen soll, ob ich als Führungskader und für den Job später geeignet bin DDR, Herbst 1988. Wir sind wieder in Teilen zu den Zuständen zurückgekommen! Gestapo, Stasi und die heutigen Meinungswächter sind alle aus dem selben Holz geschnitzt. Das liegt dem Deutschen anscheinend.

Peter Z.
Als Alt-68er erinnert mich das alles an die Hochschulen in der 68er-Zeit. Und es gilt auch heute, was der Historiker Götz Aly mit Blick auf die 68er festgestellt hat: „Sie sind ihren Vätern viel ähnlicher als ihnen lieb sein kann“. Die linken Fanatiker heute sind aus dem gleichen Holz geschnitzt wie einst die 68er und vor ihnen die Nazis.

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