Seit nunmehr 68 Jahren schwelt ein Dauerkonflikt unmittelbar vor Europas „Haustür“. Eigentlich begann er bereits 1943; schon während des 2. Weltkriegs bemühte sich Theodor Herzl, ein österreichisch-ungarischer Schriftsteller, der heute als (einer der) Begründer des modernen politischen Zionismus gilt, in Verhandlungen mit den (damals absehbaren) Siegermächten USA, Großbritannien und Frankreich, für die Juden einen eigenen Staat zu gründen. Zur Wahl standen Argentinien, der Nordosten Ugandas und eben Palästina, das insofern günstig erschien, als es dort einerseits nur eine lose Ansammlung hauptsächlich noch nomadischer Volksstämme gab und die Besiedelung ausgesprochen dünn war. Herzl votierte für das heutige Staatsgebiet Israels unter Hinweis darauf, daß dies das „angestammte Staatsgebiet des Volkes der Juden“ seit 2.400 Jahren sei.
Zwar stimmten die Westmächte diesem Plan Theodor Herzls zu, aber die Begründung war insofern völlig falsch, als es niemals ein „Volk“ der Juden (im staatspolitischen und völkerrechtlichen Sinn des Wortes) gab; vielmehr betraf die Vertreibung (‚Diaspora‘) die Religionsgemeinschaft der Juden. Aber dieses Märchen hält sich bis heute und wird speziell von Zionisten und orthodoxen Juden auch weiterhin nach Kräften genährt.
So wie die ehemaligen Kolonialherren Afrikas (unter Mitwirkung der Belgier und Italiener), die zehn-tausende von seßhaften und nomadisierenden Stämme Afrikas in 51 Länder (heute 55) mit schnurgeraden Grenzen meinten, nach Gutdünken einteilen zu müssen/dürfen – ohne jegliche Rücksicht auf kulturelle Hintergründe und familiäre Zugehörigkeiten –, so selbstherrlich-arrogant wurde auch Palästina, ohne Rücksicht auf dessen unterschiedliche Volksgruppen und Stämme 1948 zum ‚Staat Israel‘ erklärt.
Für die dort lebenden Palästinenser kam auch wenig Unterstützung vonseiten der übrigen arabischen Welt, da die angrenzenden Länder mehrheitlich bereits als Nationen organisierte Staatsgebilde darstellten und ihnen nomadisierende Palästinenser als Nachbarn wenig behagten. Insofern erlitten die Palästinenser ein ähnliches Schicksal wie die Kurden in der Türkei (und fünf weitere Nachbarländer), Sintis/Romas in Europa und die Oromos, der einst größte afrikanische Stamm im Osten Afrikas (Ruanda, Burundi,Kongo/Zaire, Uganda und Kenia).
Heute stehen sich allein im Gazastreifen, der nur wenig größer als der Landkreis München ist, etwa 100.000 militärisch hoch-aufgerüstete Israelis und hunderttausende, teilweise in bitterster Armut lebende palästinensische Flüchtlinge gegenüber.
Und auch in der Westbank, einer Enklave zwischen Jordanien und dem Mittelmeer, herrscht derzeit eine nur trügerische Ruhe, die von ständigen Übergriffen aus und auf Israels arabische Nachbarn begleitet wird.
Daß die Gründung des Staates Israel auf höchst ignoranten, aber opportunistischen Plänen der Westmächte und einem völkerrechtlichen Mythos beruht, kann nicht über die schier ausweglose Lage hinwegtrösten, daß dieses Gebiet sich bis heute in einem latenten Kriegszustand befindet, für den es eigentlich nur eine einzige Chance dauerhafter Befriedung gibt – eine völkerrechtlich und von beiden Seiten anerkannte ‚Zwei-Staaten‘- Lösung. Dem verweigern sich aber die Hardliner beider Seiten und berufen sich dabei – wie könnte es anders sein – auf den jeweiligen göttlichen „Befehl“, die „ungläubige“ Gegenseite ins Meer zu treiben, egal um welchen Preis an Menschenleben.
Die Völkergemeinschaft (unter der euphemistischen Bezeichnung UNO) steht diesem permanenten Brandherd völlig hilflos gegenüber; zu einseitig sind die jeweiligen Interessen. Und deshalb konnte es sich die israelische Regierung seit 1948 auch seelenruhig erlauben, 32 UN-Resolutionen zu ignorieren – um den Preis, daß inzwischen die dritte Generation junger Israelis lernen mußte, in einem lebenslangen Kriegszustand und ständiger Gefahr leben zu müssen.
Da mutet beinahe pervers an, daß bis heute 11 Friedens-Nobelpreise an Vertreter der dort involvierten Kriegsparteien (plus US-Präsidenten) verliehen wurden. Geändert haben sich in diesen 68 Jahren allenfalls die Effizienz der dort eingesetzten Waffen und die Brutalität der Gegner.
Haß, ob religiös oder säkular (z.B. als Rassismus) getarnt, ist die gefährlichste Form der Dummheit!
H.-W. Graf