Wie ein Mantra beten die Politiker – teils aus völliger Unkenntnis der Zusammenhänge, teils in bewußter Täuschungsabsicht – den Evergreen ‚Inflation ist besser als Deflation‘!
Perverserweise führen sie hierbei auch noch den mit Inflation zumeist einhergehenden Zuwachs an den jeweiligen Leitindizes der Börsen als „Beweis“ an; da der DAX in den letzten Wochen hierzu nicht wirklich taugte, mußte für diese perfide Argumentation der Nikkei herhalten. Interessanterweise ist aber gerade der Letztgenannte ein Beispiel dafür, daß eine Deflation weder die Bürger in den Wahnsinn oder in erhöhtes Suizid-Verhalten treibt, noch die absolute Schuldenquote dadurch steigt. Im Gegenteil, durch die Abwertung des Yen, der seit 2011 fast 30% seines Wertes verloren hat, hat sich der absolute Schuldenstand der privaten wie auch der öffentlichen Haushalte im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt sogar leicht reduziert. Erst kürzlich (und aus völlig anderen Gründen) steigt die Staatsverschuldung Japans wieder. Einerseits werden natürlich zwar Japans Exporte billiger (sofern die Handelswährung nicht auf US-$ oder Euro lautet), andererseits verteuern sich (regelmäßig in anderen Währungen laufende) Importe, was sich speziell bei Rohstoffen – daran mangelt es Japan – besonders negativ auswirkt.
Ein ähnliches Beispiel liefert Indien, bzw. – genau umgekehrt – Brasilien; der asiatische Subkontinent verzeichnet real ein leicht steigendes Bruttoinlandsprodukt. Durch seine stark schwächelnde Rupie steigen nun einerseits (wenngleich in überschaubarem Maße) die Exporte, gleichzeitig schwächen sich aber die Importe ab, während in Brasilien der fallende Wert des Real nur dank der steigenden Rohstofferlöse (die traditionell fast ausschließlich in US-$ abgerechnet werden) abgefedert wird und damit die bereits aufflammenden sozialen Unruhen noch einigermaßen auf bestimmte soziale Brennpunkte des größten Landes Südamerikas beschränkt werden können.
Zurück in die Euro-Zone: Letztlich vertrauen die Politiker bei ihren Märchen darauf, daß die meisten Bürger von wirtschafts- und währungspolitischen Zusammenhängen nicht die geringste Ahnung haben (zumeist ist dies bei den Politikern nicht anders) und bauen darauf, daß das „Fernziel“ der EZB – O-Ton Barroso: „Mit einer Inflation von knapp 2% könnte die Euro-Zone bequem leben“ – schon irgendwie zu schaffen sein müßte, was zur Folge hätte, daß einerseits die Steuereinnahmen (allen voran die Mehrwertsteuer) steigen, andererseits die Schulden relativ geschmälert würden und sich zudem Raum für steigende Einkommen ergäbe, was dann als Erfolg der Gewerkschaftspolitik umgedeutet werden könnte. Außerdem verringerte sich auf diese Weise die europaweit gehaßte wirtschaftliche Dominanz der Deutschen, was den politischen EU-Granden besonders trefflich zupaß käme.
Daß die kalte Progression und eine gegenüber dem April 2013 rund 1,4%ige Verteuerung des Durchschnitts-Warenkorbs keine Lösung für die immensen Schuldenberge in praktisch allen Ländern der EU(ro-Zone) sein können, müßte eigentlich jedem halbwegs Mitdenkenden klar sein.
Natürlich ist es dann eine Frage des Charakters, dies den Wählern und Konsumenten auch ehrlich zu sagen. Aber gerade Charakter ist eine nicht sonderlich hilfreiche Qualität für Politiker.
H.-W. Graf