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Finanztransaktionssteuer – die „Zeche“ zahlt der Sparer

Nun soll sie also kommen, die Finanztransaktionssteuer (FTS); so hat zumindest der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Mittwoch entschieden. Demnach sollen nahezu alle Börsengeschäfte mit einer Steuer von 0,1% belegt werden, Termingeschäfte sollten einem harmonisierten Mindeststeuersatz von 0,01% unterliegen. Dagegen hatten Großbritannien und Schweden geklagt – aus unterschiedlichen Gründen: Schweden hat bereits vor fast 30 Jahren mit einer Börsenumsatzsteuer katastrophale Erfahrungen gemacht, da deren Eintreibung einen enormen logistischen Aufwand erforderte, gar nicht lückenlos zu bewerkstelligen war und eigentlich nur die Sparer traf. Großbritannien hat andere Motive, sich gegen eine FTS zu wehren: Außer Geldgeschäften – genauer gesagt: Handel mit Rohstoffen, Edelmetallen, Währungen, Anleihen und Aktien – hat dieses Land eigentlich wenig Möglichkeiten, am internationalen Handel teilzunehmen. Wann hatten Sie das letzte Mal ein Produkt ‚made in Great Britain‘ in der Hand?

Da diese FTS aber nur von 11 Ländern eingeführt werden soll, diese sich aber noch keineswegs einig darüber sind, welches Finanzprodukt mit welcher Steuer belegt werden soll, und außerdem die technische Durchführbarkeit, gerade was den Hochgeschwindigkeitshandel (‚High-Frequency-Trading‘) anbelangt, noch völlig im Unklaren schwebt, wird mit der realen Einführung dieser FTS (wenn überhaupt) wohl frühestens 2016 oder `17 zu rechnen sein.
Aber auch dann fehlt uns die Phantasie, wie speziell im Hochgeschwindigkeitshandel, der immerhin heute bereits mehr als 35% aller Börsengeschäfte ausmacht, die rechtmäßige Abführung dieser Steuer gewährleistet und vor allem überprüft werden soll.
Letztlich zahlt diese Steuer natürlich nicht die Finanzindustrie, sondern diejenigen, die von sämtlichen Parteien und Politikern ständig darauf hingewiesen werden, doch gefälligst selbst für ihr Alter mit vorzusorgen und dies nicht einzig dem Staat, der gesetzlichen Sozialversicherung und den Betrieben zu überlassen – die Sparer.

Die Deutschen reich wie nie

Heißa, welch freudige Nachricht: Soeben wurde bekannt, daß die Deutschen ein Geldvermögen von 5,15 Billionen besitzen; dies setzt sich zusammen aus Wertpapieren, Lebensversicherungen sowie Ansprüchen aus betrieblichen Altersversorgungen.
Demnach verfügt jede(r) Bundesbürger(in) statistisch über ca. 63.580 €. Davon abgesehen, daß derartige Statistiken keinerlei realen Nährwert haben, besteht das Problem darin, daß zwar das Gesamtvermögen gegenüber dem Vorjahr um 1,6% gestiegen ist (was rund 79 Milliarden Euro ausmacht), der größte Teil dieser rechnerischen Werte aber für die Bundesbürger gar nicht flexibel verfügbar ist, weil es sich dabei um ratierlich ausgezahlte Renten handelt, die nicht kapitalisiert werden können. Da geschätzt etwa 30% dieser Wertzuwächse von der Steuer aufgefressen werden und es sich zu rund 85% um Geldwerte handelt, die auch noch von der Inflation angeknabbert werden, darf nüchtern – und das dämpft die Freude über diesen wachsenden „Reichtum“ doch enorm – konstatiert werden: Die meisten Bundesbürger haben kaufkraftmäßig ein weiteres Minusjahr hinter sich.
Herrn Schäuble und Bundesmutti Merkel stört dies nicht im Geringsten. Süffisant ließ der Bundesschuldenminister angesichts neuer Rekord-Steuereinnahmen verlauten, daß er „der Letzte“ sei, „der sich gegen den Abbau der kalten Progression* ausspräche. Die Merkels und Schäubles können eigentlich nur froh sein, daß der Durchschnittsbürger sich für nahezu alles mehr interessiert als für politische Inhalte; dies überläßt man Parteien und Politikern, obwohl die meisten spüren und einige konkret wissen, wie gnadenlos sie über den Löffel balbiert, als Wähler, Konsumenten und Steuerzahler mißbraucht und ausgehalten werden.

Hierzu paßt dann hervorragend die nächste Folge der Seifenoper ‚Spielen wir Demokratie‘, die Europa-Wahl am 25. Mai, und hierzu dürfen wir Ihnen – falls Sie diese Folge gesehen haben, schadet es nicht, sie ein zweites Mal anzusehen – die jüngste Ausgabe (29.04.2014) der Sendung „Die Anstalt“ dringend (!) anempfehlen. Klarer und deutlicher kann man die Zusammenhänge, vor allem aber die politisch dahinterstehende Intention und den frivolen Zynismus der PolitikerInnen nicht mehr verdeutlichen:
https://www.youtube.com/watch?v=tAPu3OnOSnE

H.-W. Graf


*   Dies bezeichnet den Umstand, daß eine Brutto-Gehaltserhöhung zu keinem Netto-Lohnzuwachs führt, da die Summe der Steuerabzüge durch das Hineinwachsen in eine höhere Tarifgruppe den „Mehrertrag“ mehr als kompensiert.