… wenn wir sie nutzen!
Seit nunmehr sechs Wochen leben wir im Ausnahmezustand, erleben familiär und privat, beruflich und politisch auf allen Ebenen Situationen, die an Kriegs- und Katastrophenmomente erinnern, wie sie sich – im „Paradies“ Europa/Deutschland – niemand vorstellen konnte. Wer Ähnliches noch vor drei Monaten vorhergesagt hätte, wäre mutmaßlich in die Psychiatrie eingeliefert worden, zumindest wäre ihm das Prädikat ‚Verschwörungstheoretiker‘ verliehen worden.
Inzwischen kristallisieren sich neben jeder Menge Zweifel, unterschiedlicher Meinungen (selbst unter Fachleuten) und völlig divergierender Reaktionen weltweit – auf Länder- und Kommunalebene – auch immer mehr Gewißheiten heraus, die teils hoffnungsfroh stimmen, teils sich gravierend unangenehm oder gar verstörend auswirken. So bangen viele um ihre berufliche Zukunft, viele um ihre Beziehung, klein- und mittelständische Unternehmer um ihre Existenz. In Familien nehmen Trostlosigkeit und Langeweile, mitunter sogar Gewalt und massiver Streit zu. Gebannt verfolgen die meisten die Dauerberieselung durch die Medien und Statements der Politiker, die tunlichst Fehler zu vermeiden suchen, die ihnen spätestens bei der nächsten Wahl auf die Füße fallen könnten; sie reagieren notgedrungen auf das, was ihnen systemrelevante Gremien und systemnahe Fachleute suggerieren.
Nur wenige hingegen stellen sich die (und der) Frage: „Was können wir in diesen Momenten des Atemholens, des Stillstandes, der Neuorientierung intelligent die Chancen für dringend notwendige Veränderungen nutzen? Wie können wir Fehler der Vergangenheit für unser aller Zukunft nutzen, indem wir gerade jetzt Reformen erarbeiten, für die bislang weder die Zeit noch der Raum gegeben zu sein schienen, bzw. die bislang niemand umzusetzen gewagt hat?“.
Kleiner Rückblick: Seit Jahrzehnten wurden von wechselfarbigen Regierungen Steuer-, Gesundheits-, Bildungs-, Sozialversicherungs- und sonstige REFORMEN versprochen und wahltaktisch in Aussicht gestellt. Verwirklicht wurden davon allenfalls Reförmchen, zumeist nicht einmal das; man verschob die Problematik in die nächste Legislaturperiode. So weiß jeder halbwegs interessierte Politiker, daß der ‚Generationenvertrag‘ (den kein Vertreter einer Generation je unterschrieben hat) demographisch wie finanziell auf höchst morastigem Boden steht; das unterschiedliche Abarbeiten von Lehrplänen in 16 Teilgebieten eines Landes nichts mit Bildung, schon gar nicht mit ‚Interesse an Schülern‘ oder freudvoller Animation von Neugier, Wißbegierde und Interesse zu tun hat, also fernab jeglicher ‚Pädagogik‘ (‚Wegbegleitung eines Kindes‘) steht; trotz einer völlig anderen Struktur unseres Wirtschaftslebens, unserer Arbeits- und Einkommenswelt sowie der Gestaltung (und der inhaltlichen Parameter) unseres Bruttoinlandsproduktes besteuern wir nach wie vor die unterstellte ‚Leistungsfähigkeit‘ gemäß der Einkommenstabelle und wundern uns, daß Spitzenverdiener (und Konzerne) sich dem durch Wohnortwechsel und Vermögenstransfers ins Ausland entziehen. Allerorts wird das zunehmende Klaffen zwischen ‚arm‘ und ‚reich‘, mangelnde Zukunftschancen für Kinder in „bildungsfernen“ Haushalten (was überhaupt nichts mit der Finanzstärke des Haushalts zu tun hat!), die steuerliche Überbelastung von klein- und mittelständischen Unternehme(r)n u.v.m. beklagt, aber dabei bleibt es dann auch. Dabei liegen uns (national wie international) jede Menge dringend zu lösender Probleme auf den Füßen: Die bundesdeutsche Demographie mit ihren Auswirkungen auf die Renten künftiger Generationen, die Zukunft des Euro und der EU, die Kostenlawine der Migration und einer besorgniserregend mangelhaften Infrastruktur, die Tragfähigkeit des Mittelstandes u.v.v.m.
Dabei gibt es für o.g. Mängel (und viele weitere) seit Jahrzehnten tragfähige Alternativen, die zumindest einigen der Politfürsten (wenn auch nur in groben Umrissen) bekannt sind. Aber zur Umsetzung neuer, tragfähiger und zukunftsdienstbarer Konzepte fehlt der Mehrheit das Wissen, der Mut und der Weitblick. Sie scheuen tunlichst davor zurück, parteiintern aus der Reihe zu tanzen, das System zu stören (dem sie ihre einträgliche Karriere/Pension verdanken), sich mutmaßlicher Kritik auszusetzen, sich unbeliebt zu machen.
Dabei hätten wir JETZT die Zeit, die Chance, die Gelegenheit, vielleicht nicht auf allen, zumindest aber auf den wichtigsten Feldern wirklich neue, vor allem dringend notwendige Reformen auf den Weg zu bringen. Allen Systemparteien – CDU, CSU, SPD, Grünen und FDP – fehlt dafür der politische Gestaltungswille, die Kraft der Erneuerung, der Mut für Visionen. Die Furcht vor Machtverlust und Veränderung bestimmen den Stillstand. Die Linken kämpfen mit den Schatten und dem Schmuddelimage ihres politischen „Erbes“ sowie der eigenen Begrenzung, ‚sozial‘ nicht von ‚sozialistisch‘ unterscheiden zu können.
Eine Chance wie heute – die notwendige Zeit, der (weitgehende) Stillstand des politischen Räderwerks, aber auch die Suche nach und die Bereitschaft für zukunftsfähige Alternativen vonseiten breiter Schichten der Bevölkerung – dürfte es vielleicht nie wieder in diesem Jahrhundert geben. Sollten wir diese nicht dringend nutzen – hier, jetzt, heute?!?
Wer ernsthaftes Interesse an alternativen Konzepten hat – vielleicht, um diese seinem politischen Vertreter unter die Nase zu halten.
- 1. Plädoyer für ein neues Steuer-, Wirtschafts- und Sozialkonzept
- 2. Plädoyer für ein neues Bildungs-Konzept sowie ein neues Gesundheitskonzept
- 3. Plädoyer für ein neues Demokratie- und Rechtskonzept und die Lösung der EURO-Krise
Eine erfolgrech, freud- und sinnvoll genutzte Zeit
Hans-Wolff Graf