Ausgerechnet ein ehemaliger Außenminister, Dr. Klaus Kinkel (FDP), muß der GroKo und der Bundesbildungsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka (CDU) Rechts- und Sachhilfe i.p. ‚Kooperationsverbot‘ geben. Dieses Kooperationsverbot verbietet dem Bund, die Förderung der Bildung an sozialen Brennpunkten durch Sozialarbeiter, Sprachlehrer und -kurse sowie hierfür notwendige infrastrukturelle Maßnahmen bereitzustellen oder zu subventionieren, denn Bildung ist nun mal Sache der Länder, mit der Folge, daß wir 16 Ministerien für Unterricht und Kultus in der Bundesrepublik haben, deren Ausrichtung gleichzeitig Gegenstand politischer Konkurrenz und Machtkämpfe sind. Davon abgesehen, daß allein die Tatsache, daß Parteien und Politiker den Bildungshorizont ganzer Generationen glauben, festlegen zu dürfen, darf Bildung noch viel weniger eine Frage ideologischer Auseinandersetzungen sein.
Die nun von Frau Dr. Wanka vorgeschlagene Verfassungsänderung stellt auf eine Unterstützung der Hochschulen der Länder durch den Bund ab, von den Schulen ist dabei jedoch nicht die Rede, obwohl es gerade bei diesen an allen Ecken und Enden fehlt und zudem ein Jugendlicher zwar seine Hochschule, nicht jedoch überall auch seine Schule aussuchen und wählen kann. Nun soll eine parteiübergreifende Kooperative von Bildungsexperten und Politikern per Grundgesetzänderung dieses Kooperationsverbot in Gänze – also für alle Schultypen – beseitigen. Dem stehen jedoch der sture Egoismus und die intellektuelle Kurzsichtigkeit einiger Landesfürsten entgegen, die unbedingt die Deutungs-, Schaffens- und Finanzhoheit für ihre Schulen beibehalten wollen. Immerhin haben die Bundesländer nur noch i.S. Polizei und Bildung überhaupt eine politische Zuständigkeit, alle anderen Belange hat Berlin längst hoheitlich an sich gerissen. Gerade die Kulturhoheit soll den Ländern zwar nun nicht „gestohlen“ werden, andererseits kann, will und wird sich Berlin nicht alleine darauf beschränken, Gelder zur Verfügung zu stellen, ohne auf deren Verwendung auch nur den geringsten Einfluß zu haben. Gerade in der prekären Finanzlage einiger Länder liegt jedoch die Ursache dafür, daß diese an der für jedes Land wichtigsten Ressource spart – der Aus- und Fortbildung seines Nachwuchses. Andererseits ist die Bundesregierung laut Verfassung auch in der Pflicht, die ‚Gleichartigkeit der Lebensverhältnisse‘ über Ländergrenzen hinweg sicherzustellen. Diese ist aber bereits heute an vielen Brennpunkten der Republik höchst gefährdet; von den rund 40.000 Schulen hierzulande gelten etwa 10 bis 15% als sehr gefährdet, weitere 35 bis 40% als problematisch, bzw. mehr oder weniger reparaturbedürftig. So haben nach Untersuchungen in den Brennpunktschulen der Stadtstaaten neun von zehn Schülern große Leseprobleme. Hinzu kommen Hilferufe aus Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Hessen, die dringend (auch fremdsprachige) Lehrer benötigen, da bis zu drei Viertel der Schüler kulturfernen Migrationshintergrund haben und der deutschen Sprache weder in Wort noch in Schrift mächtig sind.
Sämtliche bisherigen Versuche, die enormen Unterschiede bei den Schulabschlüssen einigermaßen ins Gleichgewicht zu bringen, schlugen bislang fehl – bei fast zwei Dutzend Schularten gelinde gesagt eine Katastrophe. Auch die angepeilte Lösung eines Zentralabiturs – schrittweise, lediglich für fünf Bundesländer und bis 2016 ! – kann nicht wirklich überzeugen, denn erst die Pisa-Studien seit 2001 haben die Politiker überhaupt für das Thema interessiert; zu viel wird auch in diesem Punkt lieber Brüssel überlassen.
In keinem Bereich ist ein so langer Zeithorizont für die politische Arbeit gefordert, wie im Bereich der Bildung. Andererseits werden die Zeiten für Politiker und der Konkurrenzdruck um die lukrativen Posten im Staats- und Parteienapparat immer größer. Insofern kann nicht überraschen, daß sich Politiker mit dem Thema ‚Bildung‘ auch unter der Frage des Zeithorizonts am allerwenigsten und ganz zuletzt beschäftigen.
Um Politiker zu werden, ist weder ein hohes Maß an Bildung, noch ein entsprechend weiter Horizont nötig. Dies spiegelt sich nachgerade in der Misere unseres Bildungssystems und der schreienden Negligenz wider, mit der dieses Thema seit Jahrzehnten vernebensächlicht wurde und bis heute wird.
Nicht der Geldbeutel bestimmt die Qualität der Bildung – auch wenn dies ideologische Irrlichter und Politpopulisten so gerne implizieren –, sondern das geistig-emotionale Niveau der Eltern und ein weitsichtig-verantwortliches Handeln der Politik!
H.-W. Graf