Forderungen anläßlich des Bildungsgipfels
Am 22.10.2008 lädt Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Bildungsgipfel nach Dresden ein. Aus diesem Anlaß fordert Bildungsforscher Prof. Dr. Reinhold S. Jäger Bund und Länder auf, die Grenzen der föderalen Strukturen zu überwinden und Bildung zur Chefsache zu machen. Die derzeitigen Bedingungen führten zwar zu durchaus anregenden Konkurrenzen zwischen den Bundesländern, jedoch auch zu erheblichen individuellen Benachteiligungen und verschärften zugleich die Chancenungerechtigkeit.
„Bund und Länder haben die gleiche Aufgabe wie bei der konzertierten Aktion zur Lösung der Finanzkrise. Wenn wir heute die Bildung vernachlässigen, werden wir die Erschütterungen in der Gesellschaft sehr bald zu spüren bekommen. Zu wenig an Bildung führt zu einem unübersehbaren volkswirtschaftlichen Schaden und zu Chancenungerechtigkeit. Das kann sich ein demokratischer Staat nicht leisten. Bildung ist deshalb politische Chefsache!“, so der Appell von Bildungswissenschaftler Jäger.
Bei seinen Wünschen und Forderungen stützt sich der Bildungsforscher insbesondere auf die Ergebnisse des Bildungsbarometers (www.bildungsbarometer.de). Er fordert unter anderem:
- Die Bildungspolitiker müssen ihre Aufgabe ernst nehmen, sie mit Nachdruck und zugleich nachhaltig umsetzen: Bildung in der Bundesrepublik Deutschland wird nach wie vor nur mit der Note vier plus bewertet. Das betrifft sowohl das Bildungsniveau als auch das Bildungswesen insge-samt. Wenn zugleich ca. 51% der Befragten die Schuld für die Bildungsmisere den Bildungspolitikern geben, dann ist es an der Zeit, Bildung auch in den Ländern zur Chefsache zu machen.
- Eine drastische Erhöhung der Bildungsausgaben von Bund und Ländern: Mehr als 90% der Befragten des Bildungsbarometers stehen hinter dieser Forderung. Diese Mehrausgaben könnten, so die Befragten, aus Einsparungen in der Öffentlichen Verwaltung sowie aus Einsparungen im Wehretat finanziert werden. Die Bevölkerung ist aber auch eher bereit (55% Zustimmung) – etwa in Form eines Bildungssoli –, einen finanziellen Beitrag zu leisten, wenn dieses Geld direkt in die Bildung einfließt.
- Eine Verstärkung der vorschulischen Bildung: Im Kindergarten werden die wichtigsten Weichen gestellt. Um nachhaltig Veränderungen in diesem Kontext angehen zu können, muß auch bei den Erzieherinnen und Erziehern sowie den pädagogischen Fachkräften eine Professionalisierungsinitiative in Gang kommen. Nur 3% der Befragten gehen davon aus, daß die Förderung ausreichend sei.
- Das allgemeinbildende Schulwesen darf kein Spielball beliebiger bildungspolitischer Spielwiesen sein: 53% der Befragten sehen in diesem Bildungsbereich den größten Veränderungsbedarf. Die Bevölkerung verspürt die Notwendigkeit für eine echte Förderung. Sie betrifft die guten Schüler ebenso wie diejenigen mit Leistungsdefiziten. Voraussetzung hierzu ist eine Professionalisierung der Lehrkräfte durch eine veränderte Aus- und Fortbildung analog den Standards der Lehrerbildung. 96% der Bevölkerung unterstützt diese Orientierung. Nur unter dieser Perspektive kann davon ausgegangen werden, daß die Benachteiligung von Kindern aus sozial schwächeren Elternhäusern – von ca. 66% der Befragten gefordert – überwunden werden kann. Die Förderung ist der Schlüssel für individuelle und nachhaltige Veränderungen. Keine noch so gut formulierten Etiketten für neue und zugleich nicht erprobte Schulformen können als Ersatz echter Förderungen dienen.
- Bildung muß sich an der Lebensrealität der Lernenden orientieren: Deshalb fordern 96% der Bevölkerung eine stärkere Praxis- und Lebensnähe von Bildung.
- Bildung muß nachhaltig sein: Um Nachhaltigkeit beim Lernen und Wissen zu erzeugen, ist nicht nur die Ganztagsschule ein probates Mittel, damit Lernen und Entspannen gut aufeinander abgestimmt werden, sondern auch ein an modernen didaktischen und lernpsychologisch fundierten Methoden orientierter Unterricht.
„Alle Berufe im weiten Feld der Bildung gehören zu den wichtigsten Berufen in der Bundesrepublik Deutschland. Sie tragen dazu bei, daß junge Menschen in Kooperation mit dem Elternhaus geformt und mit dem notwendigen Wissen sowie den erforderlichen Kompetenzen ausgestattet werden. Nur unter diesen Voraussetzungen werden sie den Anforderungen einer globalisierten Welt Stand halten. Bund und Länder müssen alles dafür unternehmen, daß diese Berufe die notwendige Professionalisierung erfahren. Ich erwarte daher, daß die Verantwortlichen beim Bildungsgipfel die entsprechenden Voraussetzungen dafür schaffen“, erklärt Jäger sein Anliegen.
Die bisherigen Ergebnisse des Bildungsbarometers sind nachzulesen unter:
http://www.vep-landau.de/Bildungsbarometer.htm
Prof. Dr. Reinhold S. Jäger
Zentrum für empirische pädagogische Forschung (zepf)
der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau
Bürgerstraße 23
76829 Landau
Tel.: 06341 – 906 – 175
Fax: 06341 – 906 – 166
Email: jaeger@zepf.uni-landau.de
URL: www.zepf.uni-landau.de
www.bildungsbarometer.de
www.deutscher-innovationspreis.de
P.S.: Leider sind die Websites nicht mehr erreichbar – 10/2019