Nachfolgendes entsprang einem Dialog mit einem höchst engagierten Querdenker zur Frage, wie bedeutsam ein Gottesbild in unserer Zeit sei(n sollte).
Lieber Herr J.,
da Sie wohl wissen, wie sehr ich Sie schätze, hier eine ausführlich(er)e Antwort:
‚Gott‘ stammt aus dem Sanskrit (‚goddum‘) und bedeutet ‚Alles‘, worunter archaisch alles fällt, was wir Menschen uns – damals mehr als heute – nicht erklären konnten (und großteils bis heute nicht können – aller wissenschaftlicher Hybris zum Trotze!).
Religionen – in aller Varianz – sind menschliche Versuche, zu subsummieren, ganzheitlich verstehbar zu machen; denn vor nichts – wohl außer dem Tod selbst – haben wir mehr Angst, als dem Unbekannten/Unverstehbaren.
Wohl deshalb bestand seit jeher ein Machtgefälle zwischen denen, die Unbekanntes/Unverstehbares deuten zu vermögen behaupteten und den Institutionen, in die sie sich eingebettet (vor)gaben. Auf diesem Anspruch, der auf GLAUBEN basiert(e) und WISSEN vorspiegelte, gründeten diese Institutionen auch ihre (All)Macht(sphantasien) und begründeten damit die Brutalität, mit der sie gegen alles Andersartige vorgingen – im jeweiligen „Auftrag“ ihrer Interpretation von ‚falsch‘ und ‚richtig‘, ‚gut‘ und ‚böse‘.
Die Etablierung der ersten monotheistischen Weltreligion, des Judäismus im 7.Jhrt. v.u.Z. – lokale monotheistische Lehren gab es schon vor tausenden Jahren -, wobei man sich dabei auf einen fast 2300 Jahre zurückliegenden „Schöpfungakt“ als Ursprung bezog, stellt insoweit einen „Quantensprung“ menschlicher Glaubens“kultur“ dar, als vereinheitlicht werden sollte, was Glauben und Wissen bis dahin immer noch trennte – Ursache ständiger Auseinandersetzungen/Mißtrauen/Kriege zwischen Priesterschaft und säkularen Herrschern.
Ich selbst, der ich mich durch die Tora, das AT und NT sowie den Koran und den Hinduismus durchgequält habe (der Buddhismus ist, in Ermangelung einer theistischen Leitfigur keine Religion), frage mich, wie ein halbwegs intelligenter Mensch – ob aus Angst oder Bequemlichkeit – natürliche Neugier und Interesse auf dem „Altar“ kindlichen Glaubens zu opfern bereit sein kann. Unser natürliches ‚ETHOS‘ – wohlweislich im Gegensatz zu normierter ‚MORAL‘ (derer es im Laufe der Menschheitsgeschichte Abertausende gab und gibt) – signalisiert uns ganz genau, was sauber, fair, natürlich und ‚gut‘ ist. Dazu brauchen wir keine Himmelskomiker und Heerscharen selbsternannter Propheten, Heiliger und anderer Parasiten, die auf Kosten der Ängste ihrer Mitmenschen höchst komfortabel leben.
Als Psychologe hab‘ ich in vielen Jahrzehnten und in mehr als hundert Ländern und Kulturkreisen die Folgen dieser brutalen sakralen Vergewaltigung – die höchst klandestin agiert, sich aber so gerne benevolent zeigen möchte – immer wieder erleben müssen.
Nun aber Schluß; sonst wird’s ein Buch und Sie schlafen vielleicht ein. Das Wesentliche ist erwähnt und dürfte Sie kaum überraschen.
Ganz herzliche Grüße
Hans-Wolff Graf