In Paris und Rom fliegen Flaschen, Steine und Feuerwerkskörper als Protest gegen Sparmaßnahmen und Einschränkungen im Sozialhaushalt, den Abbau des Beamtenmolochs und die Kappung von Privilegien öffentlich-(un)rechtlich Bediensteter. Dabei haben der französische Premier Valls und sein italienischer Kollege Renzi damit noch gar nicht angefangen – aus Angst vor der Reaktion ihrer Bevölkerungen. Sie spielen lieber mit einer weiterhin expansiven Geldpolitik der EZB.
In der Tat ist die Situation beider Länder wenig erheiternd, zwar liegt in beiden Ländern die Inflation knapp unter 1%, aber das Haushaltsdefizit Frankreichs beträgt 4,2% (Italien: knapp 3,1%), und das Wachstum Frankreichs wird auch in diesem Jahr kaum über 0,7% hinausgehen (Italien: ca. 0,8%) – all dies bei historisch niedrigen Zinsen. Beide Länder büßen für uralte Sünden. So kommen in Frankreich auf 1.000 Einwohner mehr als 90 Beamte; mit einem Renteneintrittsalter von 62 haben sich die letzten vier Premiers zwar günstig Stimmen eingekauft, ihren Budgets jedoch schlimmen Ärger beschert. So liegen die Staatsausgaben in der “Grande Nation” bei 57% des Bruttoinlandsproduktes, und wegen der hohen Lohnstückkosten ist Frankreichs Wirtschaft international schon längst nicht mehr wettbewerbsfähig.
„Zu viel Leiden, zu wenig Hoffnung – das ist die Lage Frankreichs.“
Manuel Valls, Premierminister Frankreichs
Auch in Italien wird der öffentliche Sektor weit über Gebühr bedient; wer Steuern zahlt (oder sein Gewerbe bzw. seine Freiberuflichkeit überhaupt angemeldet hat), ist selber schuld. Ein kleiner Beitrag zum Lebensunterhalt an den örtlichen Bürgermeister schafft Steuerprobleme oft viel schneller aus dem Weg. Der Plan der EZB (nachgerade angesichts der Situation in beiden o.g. Ländern, aber auch angesichts der anhaltend schwierigen Situation in Spanien, Griechenland und Portugal) besteht darin, durch weiterhin niedrige Zinsen einen moderaten Abbau der nationalen Schuldentürme zu erreichen. Das jedoch dürfte – gerade für die südeuropäischen Staaten – einer zusätzlichen Ladung Drogen für Junkies entsprechen, denn das Konzept ‚Wachstum und Ruhe im Wählervolk durch noch mehr Schulden‘ dürfte die Unbedenklichkeit, neue Schulden zu machen, noch zusätzlich steigern. Darüber dürfen auch die lauthals gefeierten Handelsbilanzüberschüsse in Spanien und Portugal, die ersten seit 2009, nicht hinwegtäuschen, denn in beiden Ländern (wie auch in Griechenland) hat sich einfach das Verhältnis von Importen zu Exporten verändert; wenn weniger Waren importiert werden, verbessert sich automatisch die Handelsbilanz, auch wenn der Export nicht steigt. Er muß nur weniger sinken als die Summe der Importe.
„Der Aufschwung geht weiter, er ist moderat.“
Mario Draghi, Präsident der IZB, über die wirtschaftliche Entwicklung in der Euro-Zone
Im Falle Griechenlands sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) seit 2009 um 25%, die Schuldenquote liegt inzwischen bei 175% des BIP. Da jedoch die Importe inzwischen um 21% (ggü. 2009) gefallen sind, wird erstmals von einer „Verbesserung des Haushaltsüberschusses“ – wohlgemerkt: ohne den Schuldendienst überhaupt zu berücksichtigen! – fabuliert. Ebenso stolz wird verkündet, daß der jüngste Tender von 3 Milliarden an griechischen Anleihen reißenden Absatz fand und siebenfach überzeichnet war. Nun ja, zum einen bürgt die EZB für die ausgeschriebenen 4% Rendite, zum anderen: Was sind 3 Milliarden im Verhältnis zu 321 Milliarden an Staatsschulden, von denen 25 Milliarden noch in diesem Jahr getilgt werden müssen?!
Nein, die billionenschwere Liquiditätsspritze der EZB haben (vor allem) die (südlichen) Banken zum Kauf heimischer Staatsanleihen mißbraucht, statt an Betriebe und Konsumenten Kredite zu vergeben. Obwohl die Zinsen seit 2011 (1%) um 75% sanken (heute 0,25%), stiegen die Schulden Italiens von 30 Milliarden auf heute 217 Milliarden, in Spanien sogar von 40 auf 338 Milliarden. Die Ausfall-risiken haben sich – mit Ausnahme der Kernländer Deutschland, Niederlande, Finnland und Österreich – weiterhin deutlich verschlechtert. Aber die Politiker lügen sich selbst in die Taschen und dem Wähler dreist ins Gesicht. Umso aufgeregter wird politisch und medial die neue „Sau“ durchs Dorf – genauer gesagt: durch Europa – getrieben; sie ist blau-gelb lackiert und hört auf den schönen Namen Ukraine!
H.-W. Graf