Auch nach mehr als vier Wochen im neuen Jahr spielen die Märkte mit Tendenzen, ohne jedoch bislang eine Richtung anzudeuten oder gefunden zu haben. So hat die brasilianische Börse unter der drastischen Leitzinserhöhung auf 10,5% (und weiterhin exorbitanter Korruption im Lande) zu leiden, aber den übrigen Schwellen- und Entwicklungsländern geht es nicht viel besser; Indien findet aus seiner global-wirtschaftspolitischen Isolation nicht heraus – wer nicht familiär und politisch gut vernetzt und in große Konzernstrukturen eingebunden ist, verläßt, sofern er gut ausgebildet ist, das Land und siedelt sich in Großbritannien, Neuseeland, Kanada oder den USA an. Einige Schwellenländer wissen wohl selbst noch nicht so genau, ob sie mehr zu den Industriestaaten oder zu Ländern der Dritten Welt gerechnet werden wollen – z.B. Rußland und die Türkei, aber auch Indonesien und Malaysia sowie Argentinien, das in seiner Not und wegen des drastischen Verfalls des Peso, ebenfalls seinen Leitzins von 4% auf 10,5% (!) angehoben hat.
Im letzten Quartal 2013 wurden fast 300 Milliarden Euro aus den führenden Schwellenländern (Emerging Markets) abgezogen; nach drei Jahren der Euphorie für diese Märkte hat sich das Geld, scheu wie ein Reh, lieber wieder in andere „Weidegebiete“ verzogen.
In der Euro-Zone wird ängstlich-still darauf gewartet, wann es in Frankreich zum Kollaps kommt; Monsieur Hollande ist viel zu sehr mit seinem Privatleben beschäftigt, und seine Landsleute denken gar nicht daran, mit ihrem sozialistischen Häuptling, der nun meint, den konservativen Reformkurs, den er ‚auf gutem Wege sieht‘, mitzugehen; die Franzosen haben ein ähnliches Vergnügen daran, den Staat und die Steuerbehörden zu betrügen wie die Griechen. Auch Italien denkt nach guter alter Tradition ‚von heute bis morgen‘. Nord- und Süditalien verachten einander, und irgendwie läuft es auch ohne Rom, Brüssel und Luxemburg doch ganz gut.
Die USA haben ihr Tapering um 10 Milliarden $ im Januar recht gut überstanden, und bereits für Februar steht eine weitere Kürzung der monatlichen Neuverschuldung (wiederum 10 Milliarden $) an. Noch hat dies keine Auswirkungen auf die Börse – der DOW wehrt sich tapfer knapp unterhalb der 16.000 Punkte-Marke –, und auch der Dollar hat gegenüber den meisten frei-handelbaren Währungen im Januar zugelegt, während der Euro seinen kurzen Höhenflug beendet hat und inzwischen knapp oberhalb der Marke von 1,35 zum US-$ laviert.
Eine Aufwärtsentwicklung ist hingegen bei den Rohstoffen (insbesondere den agrarischen) und den Edelmetallen zu verzeichnen, wobei Gold nach einem kurzen Ausbruch bis nahe der 1.300 US-$-Grenze (pro Unze) inzwischen wieder bei 1.250 US-$ liegt.
An allen währungs- und fiskalpolitischen Fronten (und demzufolge auch bei den Indizes) dürften wir in 2014 weitaus höhere Volatilitäten gewärtigen als im vergangenen Jahr. Die Kreditzinsen sind hierzulande bereits im Schnitt um ein halbes Prozent geklettert, wohingegen Sparer, die jegliches Risiko scheuen, nichts finden, was nach Steuern und Inflationsraten überhaupt noch ein Plus erbrächte.
Es scheint, als ob die Europa-Wahlen im Mai – so gering die Wählerbeteiligung an den bisherigen EU-Wahlen auch gewesen sein mag – ihre Schatten bereits heute werfen; immerhin lauern in der Hälfte aller Euro-Zonen-Länder kleine und größere Parteien auf ihre Chance, dem Euro-Wahnsinn und der Zwangsvereinigungsmanie der Politiker der etablierten Parteien ein Schnippchen schlagen zu können. Solange diese Parteien jedoch, wie vielfach der Fall, nur monothematisch aufgestellt sind und – anders als die etablierten, konservativen Parteien – nicht in der Lage sind, ein Zweckbündnis untereinander einzugehen, könnten wir nach dem Mai zwar eine weitere Zersplitterung im Europa-Parlament erleben – die Weimarer Republik läßt grüßen! –, grundsätzlich ändern dürfte sich dann allerdings kaum etwas.
H.-W. Graf