Wie uns die Finanzindustrie, Politik und Banken für dumm verkaufen
Autor: Matt Taibbi
Verlag: Riemann Verlag, München
Preis: € 16,99
Umfang: 352 Seiten
ISBN: 978-3-570-50140-5
Matt Taibbis scharfzüngige Auseinandersetzung mit einem kranken System
Ausgehend von der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 begibt sich Matt Taibbi auf Spurensuche. Wie konnten die ungedeckten Immobilienkredite Amerikas die globale Wirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs bringen? Was der Redakteur des Magazins ‚Rolling Stone’ bei seinen Besuchen und Interviews mit Hedgefonds-Managern, Wallstreet-Bankern und Politikern herausfindet, hat wenig zu tun mit der offiziellen Version zum Beinahe-Kollaps des Finanzsystems. Stattdessen identifiziert der Autor ein bewußt inszeniertes Umverteilungsprogramm zugunsten der Superreichen: „In der letzten Generation hat sich eine hochkomplexe Fusion von Kriminalität und Politik vollzogen, von Diebstahl und Staat. Statt sich noch um den Rest von uns zu kümmern, sind die Finanzbosse Amerikas und ihre politischen Diener allem Anschein nach zu dem zynischen Schluß gekommen, daß unsere Gesellschaft es nicht wert ist, gerettet zu werden. Ihre neue Mission besteht nicht mehr darin, Wohlstand für alle zu schaffen, sondern sich mit dem Vermögen, das in unserer ausgehöhlten Wirtschaft noch übrig ist, aus dem Staub zu machen.“
Mit rhetorischem Schwung seziert Matt Taibbi die Tea-Party-Bewegung als medial gepushtes Konstrukt, geschaffen, um für weniger staatliche Eingriffe zu werben, und identifiziert Investment-banken wie Goldman Sachs als „Apotheose der Abzockära“. Zentrale Bedeutung mißt der Autor dem ehemaligen Chef der US-Notenbank Alan Greenspan bei: Als „Riesenarschloch, das Amerika ins Chaos stürzte und in ein Land voller Heuchler verwandelte“ steht dieser für Matt Taibbi am Anfang der großen amerikanischen Spekulationsblasenmaschine. Nacheinander behandelt Matt Taibbi Hypothekenschwindel, Rohstoffblase, Staatsfonds und die Gesundheitsreform und findet doch immer wieder dasselbe „Labyrinth aus finanziellen Verordnungen und Statuten, in dem ein paar Tausend Banker und Händler Millionen Kunden mithilfe von Finanzinstrumenten schröpfen, die viel zu knifflig sind, um sie in den Abendnachrichten zu erklären“.
Matt Taibbis „Kleptopia“ ist ein Blick in die Abgründe eines kranken Systems und eine deutliche Warnung, wohin die Absenkung des Niveaus im politischen Diskurs führen kann. Mit seiner unverblümten Herangehensweise macht der Autor die trockene Finanzmaterie spannend und hilft, Vorgänge zu durchschauen, die für Europa dieselbe Relevanz haben wie für die USA: gelenkte Demokratie, Medienmanipulation und die enge Verquickung von Politik und Finanzwirtschaft.
„Wir haben Wähler, die die aktuelle Entwicklung nicht aufmerksam verfolgen, Medien, die wichtige Themen ignorieren oder bewußt falsch verstehen, und Behörden, die sich den Lobbyisten beugen und von Wahlkampfspenden verlocken lassen. Und wir haben den Reichtum einer Supermacht, den sich anzueignen immer noch lohnt. Nimmt man all das zusammen, hat man ein Paradies der Diebe – ein Kleptopia.“ (Matt Taibbi über sein Heimatland Amerika)
Matt Taibbi (geboren 1970) ist ein amerikanischer Schriftsteller und Journalist. Für seine Kolumnen und Kommentare erhielt er u.a. den National Magazin Award (2008). Er ist Stammautor der Zeitschrift ‚Rolling Stone’ und hat bisher vier Bücher verfaßt, darunter den Bestseller „The Great Derangement“. Matt Taibbi lebt in New Jersey.