Die Geschlechtsreife bringt äußere und innere Veränderungen mit sich. Schnell ist da von Krise die Rede. Dabei besitzen die „Pubertisten“ wertvolle Qualitäten, die gesellschaftlich bislang oft nicht anerkannt werden, beklagen ein Hirnforscher und ein Kinderpsychiater.
Wenn Kinder in die Pubertät kommen, wird es für Eltern oft ungemütlich. Begriffe wie Krise und Problemzone machen dann die Runde. Sind „Pubertisten“ wirklich schwierige Menschen? Nein, sagen zwei Wissenschaftler, unsere alternde Gesellschaft macht sie nur künstlich zum Krisenfall, indem sie die jungen Erwachsenen wie große Kinder behandelt und vom echten gesellschaftlichen Leben ausschließt. Über Millionen Jahre der Menschheitsgeschichte war das anders: Kreativität und Wagemut der Pubertierenden sicherten das Fortleben der gesamten Gruppe. Dieses Potenzial liege heute brach, beklagen der Kinderpsychiater Professor Gunther Moll, Leiter der Kinder- und Jugendabteilung für Psychische Gesundheit am Universitätsklinikum Erlangen, und der dortige Leiter der Forschung, der Neurobiologe Professor Ralph Dawirs.
Herr Moll, Sie wollen die Pubertät von ihrem Problem-Image befreien. Ist sie denn überhaupt ein Problem?
Gunther Moll: Überhaupt nicht. Sie ist neben der Kindheit eine der spannendsten
Abschnitte im Leben eines Menschen.
Wer macht die Pubertät denn dann zum Problem, Herr Dawirs?
Ralph Dawirs: Das hängt vor allem mit der längeren Lebensdauer und dem dadurch
verloren gegangenen Generationenwechsel zusammen. Das Kind wird erwachsen, blickt auf, die Alten sind immer noch da und nicht bereit, ihren Platz zu räumen.
Ach so, wir werden heute zu alt. Müßten wir schneller abtreten?
Dawirs: So war es lange genug, aber der Erfolg der menschlichen Kultur mündete ja gerade in der längeren Lebensdauer. Das ist aber genau das Problem, das der Kulturmensch nun zu meistern hat. Statt im Generationenwechsel stecken wir seit erst wenigen Generationen mitten im Generationenkonflikt. Es ist eine politische Aufgabe, einen echten Generationendialog herbeizuführen.
Sie schreiben in Ihrem neuen Buch „Endlich in der Pubertät“, wir Erwachsenen bräuchten nur ein bißchen zur Seite zu treten, damit die Pubertisten besser an uns vorbeikämen. Ist das ein Witz?
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