Der Lösungsweg der Subsidiarität
Ob der Mensch ein Einzel- oder ein Gemeinschaftswesen ist, sei dahingestellt. Nur den wenigsten jedenfalls ist vergönnt, ein Einsiedlerdasein zu führen. Die meisten Menschen sind mehr oder weniger in die Gemeinschaft mit ihresgleichen gezwungen. Eine Ansammlung von Menschen braucht für den reibungslosen Umgang unter- und miteinander Regeln. Oft sind auch die Lebensbedingungen nur erträglich zu gestalten, indem in Gemeinschaft Leistungen erbracht werden.
Aus diesen beiden Notwendigkeiten leiten die Staaten ihre Existenzberechtigung ab. Viele Freiheitsfreunde, Liberale und Libertäre, beugen sich diesem Schluß. Sie legen es darauf an, den Staat dahingehend zu reformieren, daß er sich auf das unausweichlich Notwendige beschränkt. Er hätte demnach nur zu regeln, was seine Bürger vor Verletzung und Verlust schützt, und nur solche Gemeinschaftsaufgaben zu übernehmen, die nicht der Privatinitiative überlassen bleiben können, weil mit ihnen kein Gewinn zu erzielen ist.
Diese Erwartung jedoch wird unerfüllt bleiben. Sie widerspricht der Eigenart der Staaten. Sie ist wahrlich eine Utopie. Eine Einrichtung von den Ausmaßen eines Staates muß, will sie ihren Bestand erhalten, jeden Mißstand, der in ihrem Inneren oder ihrem Umfeld auftritt, beseitigen. Sie wird mit einem Regelungsbedarf konfrontiert, der bei fortschreitender Entwicklung immer größer und verwickelter wird. Und der ihr innewohnende Vereinheitlichungsdrang läßt immer weniger zu, Entscheidungen zu delegieren, sie etwa Unterteilungen (Ländern, Bezirken, Kreisen) zu überlassen. Das Machtmonopol des Staates entmündigt und entwürdigt seine Bürger. Das wiederum verursacht deren Enthemmung. Einerseits verleitet die Anonymität des fernen Staates den Bürger, ungeniert bemüht zu sein, Leistungen, die der Staat einfordert, zu umgehen. Andererseits verführt die Omnipotenz des Staates den Bürger, von ihm zu verlangen, daß er ihn von allen Sorgen und Nöten befreie. Der Staat ruft Gleichgültigkeit, Leistungsunlust und Anspruchsdenken hervor.
Das unterwirft ihn einem Circulus vituosus. Seine Eigenart verändert das Verhalten des Menschen. Das löst Mißstände aus. Diese kann er nicht bestehen lassen. Jede Regelung aber verlangt Gleichbehandlung und Allgemeingültigkeit. Durch Vereinheitlichung jedoch ist Gerechtigkeit nicht herzustellen. Das Leben ist zu vielfältig, als daß es sich systematisieren ließe. Es gelingt dem Staat deshalb nicht, die Mißstände in befriedigender Weise zu beseitigen. Dadurch hinwiederum vermehrt und verstärkt er sie erneut. Der den Staaten immanente, aus seinem Wesen gespeiste unendliche Regelungs- (Reform-) Bedarf ist eine Teufelsspirale.
Staat heißt Tun. Er kann sich nicht beschränken. Ihm bleibt nichts übrig, als das Recht ständig zu vermehren. Ein Recht indessen, selbst wenn es widerspruchsfrei wäre, aber ins Unendliche geht, kann niemand mehr befolgen. Es führt in die Rechtlosigkeit. Der Staaten Ende ist das Chaos, das aus einem anderen Grund, der auch im Wesen der Staaten begründet liegt, in vielen Teilen der Welt schon vorhanden ist.
Wie ist dem zu entkommen? Wie gelangt man zu akzeptierten und weitgehend befolgten Regeln? Und wie erhält man die Bereitschaft, sich in eine Gemeinschaft einzubringen, Nachbarschaftshilfe zu leisten, das Nötige und Förderliche mitzugestalten?
Die Antwort gibt die Geschichte: [….]