Die ‚Preußische Allgemeine Zeitung’ nannte es am 9. April ein „politisches Schandurteil“, Dr. Klaus Peter Krause, langjähriger Ressortleiter der Wirtschaftsredaktion der ‚Frankfurter Allgemeinen Zeitung’ sprach von einem Fehlurteil und der Nestor der deutschen Staats- und Völkerrechtslehre, Prof. Karl Doehring, gar vom „Erhalt marxistischer Rechtsauffassung“. Heiko Peters, bis zu seinem Austritt einer der letzten Querdenker der CDU, statuierte hanseatisch: „Damit ist die deutsche Wiedervereinigung endgültig gescheitert“.
Der Reihe nach: Nach der Wiedervereinigung hatten die in der Zeit von 1945 bis 1949 und später in der sowjetischen Besatzungszone enteigneten klein- und mittelständischen Unternehmen, Landwirte und Guts-herren auf Rückgabe ihrer Ländereien, Immobilien und sonstigen Besitzrechte erst gehofft, dann geklagt. Diesem Begehren verschloß sich jedoch die deutsche Justiz – nachgerade basierend auf der Lüge des dama-ligen Bundeskanzlers Kohl, der auf ein angebliches „Restitutionsverbot“ als Bedingung für die Zustimmung des ehemaligen russischen Präsidenten Michail Gorbatschow verwies; mit anderen Worten: Hätte die Bundes-regierung 1990 nicht ausdrücklich auf die Rückgabe der früheren Enteignungen verzichtet, hätte Rußland seine Zustimmung zur Wiedervereinigung verweigert. Diese Kohl-Lüge ist als solche längst erwiesen, aber auch die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht blieb erfolglos, weil dessen damaliger Vorsitzender und späterer Bundespräsident, Roman Herzog, vorbehaltlos und ungeprüft die Kohl-Lüge als Ablehnungsbegründung übernahm. Paradoxerweise darf – wiederum höchst richterlich – die Kohl-Regierung öffentlich der ‚Staatshehlerei’ bezichtigt werden.
Dabei ging es den „Alteigentümern“ nur um die sogenannten „weißen Flächen“ – immerhin rund eine Million Hektar –, also Land, auf das durch die Bodenreform niemand mehr Anspruch hat. „Diejenigen, die nach dem Krieg Land bekamen, haben einen legitimen Anspruch darauf“, beteuert Hanno von Wulffen aus Pietzpuhl, einer der 71 „Bodenreform“-Opfer. „Die ‚schwarzen Flächen’ rühren wir nicht an“.
Daraufhin wandten sich die „Bodenreform“-Opfer an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), wo sie nun am 30.März jedoch ebenfalls unterlagen.
Interessant hierbei: Bereits 2001 hatte Hanno von Wulffen in Straßburg Beschwerde gegen das „Urteil“ des Bundesverfassungsgerichtes eingelegt. Die erste Anhörung vor der Kleinen Kammer (mit sieben Richtern) fand im Januar 2004 statt. Diese Kammer maß der Angelegenheit solche Bedeutung bei, daß sie an die 17 Richter der Großen Kammer weitergegeben wurde.
Zur Begründung seiner Ablehnung führte nun aber der Gerichtshof aus, die Bundesrepublik sei weder für das verantwortlich, was einst die sowjetische Besatzungsmacht, noch für das, was die DDR veranlaßt habe. Dies gelte auch für die spätere Rechtsnachfolge der DDR, denn dabei handele es sich um sogenannte „politische Verpflichtungen“. Deshalb besitze der Gerichtshof keine Zuständigkeit, die Umstände der Enteignungen oder deren bis heute fortwirkenden Folgen zu untersuchen.
Diese Begründung ist natürlich schon insofern unschlüssig, als die Kläger darauf gar nicht abgestellt hatten, also die Bundesrepublik gar nicht verantwortlich gemacht wurde für das Unrecht der Sowjetunion und der DDR, sondern dafür, daß sie menschenrechtswidriges Unrecht seit 1990 fortführte – übrigens entgegen vollmundiger Erklärungen aller früheren CDU-/CSU-Regierungen, die unisono versprachen, spätestens nach einer Wiedervereinigung alle Unrechtsmaßnahmen rückgängig machen zu wollen und obwohl die für die Rückgabe oder Auskehr des unzulässigen Bereicherungserlöses notwendigen Gesetze nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch bereits bestehen. Hinzu kommt, daß die Bundesregierung Opfern der Zeit nach 1949, also Opfern der DDR-Zeit, eine derartige Wiedergutmachung einräumt, womit sie gleichzeitig aber die Opfer der SBZ-Zeit diskriminiert und ungleich behandelt. Darüber hinaus sind, wie Dr. Krause in einem Artikel der ‚Preußischen Allgemeinen Zeitung’ explizit ausführt, „politische Verpflichtungen ebenso wenig sakrosankt wie alles politische Handeln, wenn es gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt, der sich die Bundesrepublik mit ihrem Tun untergeordnet hat“. Dr. Krause weiter: „Wohl ist verständlich, daß sich der Gerichtshof nicht zuständig fühlt, die Umstände der Enteignungen und ihre fortwirkenden Folgen zu untersuchen und sich darauf beschränkt zu prüfen, ob die Opfer mit der Wiedervereinigung eine berechtigte Erwartung besaßen, ihr Eigentum zurückzubekommen oder, wenn nicht mehr möglich, stattdessen eine Ausgleichsleistung zu erhalten. Aber auf eine solche Erwartung erkannte der Hof nicht, und er erkannte deswegen nicht darauf, weil auch er die komplizierten deutschen Regelungen zur Wiedergutmachung nicht durchschaut hat, sich mit ihnen möglicherweise auch nicht ausgiebig hat befassen mögen.“ Das ergibt sich schon daraus, daß auch der Europäische Menschengerichtshof die Kohl`sche „Restitutions“lüge als wahr unterstellt. Daß Kohl damit nicht nur das deutsche Volk und den Bundestag skrupellos belogen hat, sondern in tumber Machtgier und mit dem Ziel, die damals in den Besitz der Bundesrepublik übergegangenen Vermögenswerte zur Finanzierung der deutschen Wiedervereinigung zu verwenden, immensen Schaden angerichtet hat, wird ihm, wie auch seinen Helfershelfern Schäuble, Waigel, dem letzten Ministerpräsidenten der DDR, Lothar de Maizière, und Herzog wohl ein ewiges Geheimnis bleiben. Karl Doehring, von der Universität Heidelberg, stellt lakonisch fest: „Der EGMR verhilft mit dubioser Begründung der Bundesregierung zur Einbehaltung von rechtswidrig und brutal entzogenem Privateigentum, mit dem makabren Ergebnis, daß die Enteigneten ihr Eigentum von ihrer eigenen Regierung zurückkaufen können, ein Ergebnis, für das wohl selbst Marxisten sich geschämt hätten.“
Zusammenfassend stellt Dr. Klaus Peter Krause fest:
„Damit sind diese Opfer, die verloren haben, um ihr Eigentum abermals betrogen. Betrogen sind sie auch um ihre Möglichkeit, sich tatkräftig am wirtschaftlichen Aufbau in ihrer Heimat zu beteiligen: Sie haben sich finanziell verausgabt, haben ihren Aufbauschwung und Tatendrang im Ringen mit Ämtern und Gerichten verkämpft, sind 15 Jahre älter als 1990, haben mithin 15 Jahre nutzlos verloren und bleiben damit als Investoren ausgesperrt.
Betrogen müssen sich auch alle jene Bürger in Mitteldeutschland fühlen, die einen Rechtsstaat wollten, die für ihn 1989 auf die Straße gegangen sind, die ihr Unrechtsregime auf bewundernswerte Weise abgeschüttelt haben.
Betrogen sind auch die deutschen Steuerzahler, denn finanziell büßen müssen sie nun auch noch für die politische Fehlentscheidung der Nichtrückgabe und deren nachteilige Folgen für die Wirtschaft im Osten der Bundesrepublik Deutschland – als wenn sie nicht schon für genug politische Fehlentscheidungen aufzukommen hätten.
Betrogen ist damit auch Deutschland insgesamt, weil die verbohrte Ignoranz seiner politischen Kaste gegenüber den „Alteigentümern“ und ihrem unternehmerischen Potential die gesamtdeutsche Wirtschaftskraft verhängnisvoll geschwächt hat und dies weiterhin tut.
So sind sie alle betrogen. Und keiner der politischen Täter und ihrer Mitläufer muß für dieses Desaster aufkommen, keiner wird dafür bestraft“.
Nun erwägt der sich seit Jahren für die „Bodenreform“-Opfer heldenhaft einsetzende Dr. Thomas Gertner sogar eine Klage in den USA – mehrere Bodenreform-Opfer leben inzwischen in den Vereinigten Staaten und sind sogar US-Bürger.
Es entmutigt einigermaßen, wie manipulierbar Justitia ist; wenn selbst in Straßburg politisches Kalkül in derart eklatanter Weise vor Gerechtigkeit geht, dürfen wir uns künftig jeden Verweis auf bestehende Rechtsunsicherheiten in China, Rußland oder südamerikanischen Ländern tunlichst verkneifen.
Kohl hat in übelster Weise Recht gebeugt; Schröder hat diesen Rechtsbruch stillschweigend fortgesetzt und der EGMR in Straßburg hat – Richterschelte hin oder her – ein monströses Fehlurteil gefällt!
H.-W. Graf
„Gerechtigkeit ist für mich ein unverzichtbarer Grundwert.“
Horst Köhler, Bundespräsident
„Gerechtigkeit wird nur dort herrschen, wo sich die vom Unrecht nicht Betroffenen genauso entrüsten wie die Beleidigten.“
Platon, 427 – 347 v. Chr.